2016 hatte Giulia Steingruber an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Bronze am Sprung gewonnen. Ein Jahr danach sicherte sich die 23-jährige St. Gallerin in Montreal in ihrer Paradedisziplin die erste WM-Medaille – ebenfalls in bronzener Farbe. Neun Monate nach einer Operation am rechten Knöchel kam dieser Medaillengewinn mehr als überraschend; Montreal war für die Ostschweizerin nur als Zwischenziel auf dem Weg zurück vorgesehen. Für die Schweizer Frauen war es erst die zweite WM-Medaille nach der silbernen von Ariella Kaeslin im Jahr 2009.
Als zweiter Turnerin nach Ariella Kaeslin wurde der 19-jährigen Ostschweizerin Giulia Steingruber die Ehre zuteil, zur Schweizer Sportlerin des Jahres gewählt zu werden. Die Europameisterin und WM-Vierte am Sprung hat ein fast perfektes Jahr hinter sich.
Mit dem Gewinn der EM-Goldmedaille am Sprung Mitte April in Moskau erfüllte sich Steingruber 2013 ei-nen Traum und setzte ihrer bisherigen Karriere die Krone auf. Knapp sechs Monate später sprang sie an den Weltmeisterschaften in Antwerpen in einem hochklassigen Sprung-Final knapp am Podest vorbei und belegte einen sehr guten vierten Rang.
Im Schatten der überragenden Leistungen an ihrem Paradegerät bewies Steingruber, dass sie 2013 auch im Mehrkampf und am Boden in die erweiterte Weltspitze vorgedrungen ist. Mit den Plätzen 4 (Sprung), 5 (Boden) und 7 (Mehrkampf) realisierte sie Anfang Oktober in Antwerpen das beste Gesamtergebnis einer Schweizer Turnerin in der WM-Geschichte. Einladungen an Weltcups oder Show-Events zeugen vom An-sehen, das Steingruber mittlerweile innerhalb der Szene geniesst.
Beeindruckend ist die Konstanz in den Leistungen Steingrubers. An den Saisonhöhepunkten leistete sie sich in den Finals keinen Aussetzer, im Gegenteil: Am Sprung gelangen ihr jeweils zwei nahezu perfekte Sprünge. Einer besonderen Nervenprobe hielt Steingruber im WM-Final stand, als sie den Jurtschenko mit Doppelschraube, den sie erst im Sommer innerhalb weniger Wochen erlernt hatte, erstmals in einem Wett-kampf turnte.
Dass sie der nationalen Elite längst entrückt ist, bewies Steingruber, die rund 30 Stunden pro Woche in Magglingen trainiert, auch 2013 einmal mehr. In ihrer temporären Heimat Biel holte die 1,60 m kleine Gossauerin im Juni überlegen den Sieg am Eidgenössischen Turnfest. Drei Monate später gewann sie an der SM alle fünf Goldmedaillen.
Die Wahl zur Sportlerin des Jahres zeugt davon, dass Steingruber auch in der Gunst der Öffentlichkeit in die Fussstapfen von Ariella Kaeslin, die diese Wahl als bisher einzige Athletin von 2008 bis 2010 dreimal in Serie hatte gewinnen können, getreten ist.
Die bodenständige Teenagerin hat ihr Potenzial noch nicht ausgereizt. Wo ihre Grenzen liegen, ist auch für langjährige Wegbegleiter der Athletin schwierig abzuschätzen. Bereits denken Steingruber und ihr Trainer Zoltan Jordanov wieder über einen noch schwierigeren Sprung nach. Das grosse Fernziel sind die Olympi-schen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Dann soll die Krönung der jetzt schon beeindruckenden Karriere folgen.
2010 war der Name Giulia Steingruber nur Insidern ein Begriff. 2012 zählte die Ostschweizerin schon zu den Hoffnungsträgerinnen für die Olympischen Spiele.
Es wirkt wie eine Nachfolgeregelung nach Lehrbuch: Die prägende Schweizer Figur einer Sportart tritt ab, die Nachfolgerin steht schon bereit. Doch Giulia Steingruber ist keine, die in die Fussstapfen anderer treten will. Viel lieber hinterlässt sie ihre eigenen. Dass die Vergleiche mit Ariella Kaeslin allgegenwärtig sind, liegt dennoch auf der Hand.
Wie die dreifache Sportlerin des Jahres verkörpert Giulia Steingruber Weltklasse am Sprung, jenem Gerät, an dem sich die Action auf ein paar wenige Sekunden beschränkt, für die man sich im Training aber jahrelang schindet. An den Europameisterschaften in Berlin wurde die Wachablösung Anfang April 2011 eingeleitet. Als Dritte stand am Ende zwar noch einmal Ariella Kaeslin auf dem Podest. Doch die Newcomerin (des Jahres) Giulia Steingruber hatte mit der Höchstnote in der Qualifikation verblüfft und EM-Gold wegen eines Sturzes verpasst.
Drei Monate später trat Kaeslin überraschend zurück. Steingruber ist die neue Vorzeigeturnerin. Bisher kommt die Handelsschülerin bestens mit der neuen Rolle zurecht. An den Weltmeisterschaften in Tokio belegte Steingruber an ihrem Paradegerät den 5. Rang und wurde ausserdem im Final der besten 24 Mehrkämpferinnen 16.